Heute mal reality. So richtig mitten aus dem Leben.
Aus heiterem Himmel rief mich meine Mutter Mitte der Woche an, sie möchte mein Tochterkind zu sich holen. Für eine Nacht.
Gestern brachte sowohl meine Mutter, als auch der Rest der Schar (=Stiefvater und Bruder) mein Kind zurück. Als sie den Garten betraten, sah ich die männlichen Blicken entlang gleiten. Sie haben die Rasenhöhe vermessen, die etwa 3 cm über dem Durchschnitt lag. Die Blicke schweiften zu verwelkten Blumen, herumliegendem Spielzeug und einem nicht geleerten Aschenbecher. Es folgte ein Tuscheln unter Männern, rollende Augen, ein ermahnender Blick meiner Mutter und eine unfreundliche Begrüßung ihrerseits.
Sie betreten die Wohnung.
"Hier stinkt's nach Katze".
Aha - is' mir neu. Aber ich habe natürlich nicht solch einen luxuriös-ausgeprägten Geruchssinn wie die feinen Herrschaften.
Sie saßen sich auf die Couch
"Unbequem", sagte mein Stiefvater mit ironisch-verächtender Stimme. Er verweilte dort in sichtlich angespannter und selbst erschaffener unbequemer Haltung. Um sein Unbehagen deutlich zu machen.
"Kaffee?", fragte ich zögerlich.
"Äh...hmm. Nee, lass' mal lieber."
Klar, wahrscheinlich würde der Kaffee sogar nach Katze schmecken.
"Tja", begann meine Mutter, "dein Kind hat ja gejammert abends. Sie wolle uuuunbedingt nach Hause. Und dann ihr Essverhalten... Unmöglich. Da stützt sie den Kopf beim Essen ab. Das macht ihr Zuhause so, erzählte sie."
"Ja Mutti, wir essen nur in dieser Haltung."
"Na ja, und dann rülpst sie doch tatsächlich in einer Tour! Sie sagte, das machst du auch immer beim Essen. Sie darf das."
"Genau, ich esse nämlich nie, ich rülpse nur. Vorverdauung."
"Deine schnippischen Antworten immer."
"Deine blöde und überflüssige Kritik. Hast du mir in dem Alter alles geglaubt?"
"Darum geht es nicht. Aber du musst dem Kind doch was Vernünftiges beibringen. Bei U.N.S. macht man sowas nicht. Machen die das im Kindergarten auch so?"
"Soll ich darauf antworten?"
Mein Bruder klinkt sich ein.
"Und dann provoziert sie total! Eeh, wie die mich immer anguckt. Das macht aggressiv!" Genauso sagte er das auch. Und ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen.
"Das ist ein Kind, sie testet aus. Lass' dich doch nich' ärgern! Und spring' nicht darauf an."
"Was willst du denn? Komm' ma wieder runter maaaan!"
Es folgte ein bitterböser Blick seinerseits. Ich war sichtlich geschockt von seinem Verhalten mir gegenüber. Mein Stiefvater saß daneben und lachte. Er bestärkte meinen Bruder in seinem Umgang mit mir.
"Na, dann wir wollen jetzt los." Mein Stiefvater brach' auf.
"Mutti, dann sehen wir uns Montag ja."
"Ach ja? Wieso?"
"Na wegen der Vollmacht bei der Bank? Das weißt du doch!"
"Aaach, ich will das eigentlich gar nicht. Mach du das mal."
"Keine Angst Mutti, ich nehm' dir schon kein dir zustehendes Geld weg."
Info: Meine Oma fühlt sich sicherer, wenn sie Kontovollmachten vergibt. Diese soll zwar primär mir zustehen, da aber meine Mutter im gleichen Ort lebt und somit evtl. im Notfall schneller erreichbar ist, soll auch sie (sie = völlig geldgeil, würde für Geld die eigene Familie verraten und verkaufen) eine Vollmacht erhalten. Kann ich nachvollziehen. Allerdings passt es ihr gar nicht, dass auch ich bevollmächtigt bin. Das äußerte sie meiner Oma gegenüber und das weiß ich auch so. Ich könnte ihr ja dann schließlich irgendwann Geld entziehen.
"Also bitte, darum geht's mir gar nicht...."
Wir stehen im Garten.
Mit Blick auf das Kinderfahrrad fragte mein Stiefvater "Und, fährt dein Kind schon?"
"Wir üben."
"Und wo sind die Stützräder?"
"Sie bekommt keine, wegen des Laufrades ..."
Ich werde mit erhabenem Gelache unterbrochen. "Jaa, genau. Mach's gut, Flüsterkind."
Zurück bleibe ich.
Von den anderen unverabschiedet.
Mit einer dicken fetten Wut im Bauch, die sich zu gern in Tränen äußern möchte.
'Wegen denen heul' ich nich!'
Und ich heulte auch nicht.
Und doch war es die Spitze des Eisberges.
Eine von vielen Konfrontationen, die mich stets als doofen Loser dastehen lassen. Bei denen ich immer wieder von oben herab beäugt und kritisiert werde. Immer wieder abfällige Bemerkungen. Immer wieder die unverblümte Verdeutlichung, dass ich schlecht bin. Und ja nicht nur ich, mein Kind auch.
Morgen.
Morgen sag ich's ihr. Nach dem Termin bei der Bank.
Entweder legt sie ein vernünftiges, tolerantes und vor allem respektvolles Verhalten mit familiärem Grundcharakter an den Tag oder ich meide den Kontakt. Sie kann sich entscheiden.
Ich weiß, dass ich schwer so ganz ohne Mutter kann, aber ich bin bereits auf einem solch' guten Weg, dass es mich stets weniger tangiert. Allerdings verletzen mich derartige Verhaltensweisen zutiefst. Und ich muss mir das nicht bieten lassen.
Eine Entscheidung wird fallen (müssen).
In jedem Fall bekommt meine Frau Mutter morgen die volle Breitseite an Empfindungen, Erinnerungen und Argumentation. Und auch die Garantie, dass sie meine Tochter nicht nochmal zu sich nehmen wird.
(Randinfo: Nein, bei mir Zuhause sieht es nicht chaotisch aus - es ist nur nicht alles perfekt. Nein, mein Kind sitzt nicht nur in gelangweilter Pose beim Essen - sie hat eine normale Haltung. Und auch: nein, mein Kind rülpst nicht ständig. Ich kann mich nicht mal erinnern, wann sie das zuletzt tat.)