Freitag, 17. August 2012

Die Angst in mir

Sie ist da. Und sie bleibt ein Teil von mir. Ich darf sie nur nicht ablehnen. Und das ist sehr schwer.

Meine Symptome besserten sich mehr und mehr. Es war nie ganz weg, aber ich hatte wieder Freude am Dasein und konnte mal an was Anderes denken, als nur an diese Angst. Ich erkannte immer mehr, warum es die Angst gibt, was sie will und wie ich mit ihr umgehen kann. Das ich unter der Geburt Panikattacken hatte, begriff ich auch erst sehr spät. Dieses Magendrücken, das hatte ich nach und in dem Wochenbett auch. Und ich verstand, warum es mich während der Geburt heimsuchte: Ich fühlte mich ausgeliefert, ohne Kontrolle über meinen Körper, der nicht enden wollende Schmerz, dieses totale Fertigsein. Das war einfach mal zu viel. Und natürlich hatte ich auch in dem Moment ganz normale Angst. Wie jeder andere eben auch. Das erneute Aufeinandertreffen von Angst und mir kam im Wochenbett - sicherlich einerseits durch hormonelle Veränderungen, andererseits durch die mir neu zugetragene Aufgabe: Mama sein. Ich wusste auch nicht, wie, wo, was, wann, wozu... Das hat mich alles schlichtweg erstmal überfordert und ich fühlte mich unwohl, in dieser unsicheren Verantwortung. Schlimm? Nein. Das ist doch völlig normal. Nur dass sich bei mir solch Gefühle und Gedanken anders niederschlagen, als bei vielen anderen. Und das muss ich nun mal akzeptieren. Und ist sie erst einmal da, die Panikattacke, dann bleibt stets die Angst vor der Nächsten, was das Ganze zu einem außerordentlichen Dilemma macht. Und genau da muss man ansetzen. Versuchen, auszubrechen. Was hilft da? Ganz unterschiedlich. Tagesformabhängig, typenindividuell. Laute Musik, schöne Träumereien - in die man regelrecht eintauchen kann, Gespräche, singen, rausgehen, auspowern, malen... im Grunde einfach die Aufmerksamkeit auf etwas anderes lenken, wenn möglich, diese nach außen richten. Bewusst Stoffe und Gegenstände fühlen, ganz bewusst etwas riechen, schmecken, oder Dinge zählen, die man gerade im Augenwinkel sieht. An möglichen Möglichkeiten mangelt es eigentlich nie. Nur ist es mehr als schwer, das ganz bewusst zu steuern. Weil eben die Gedanken immer wieder kommen, zwanghaft. Das dauert und kostet Kraft und Überwindung. Aber irgendwann schafft man es, immer ein bisschen besser.

Ich verstand zunehmend, dass die Panik mir auch was sagen möchte. Denn bewusst auf mich zu achten, insbesondere auf Gedanken und Gefühle, dass habe ich im Tiefpunkt verlernt - und verdrängt. Das wollte ich einfach nicht mehr. Aber irgendwie muss die Seele auf sich aufmerksam machen, und wie heißt es so schön? "Bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt." So in der Art stell ich mir das vor. Die Angst und auch die Panikattacken wollen mir zeigen, dass momentan etwas nicht gut läuft, dass es mir gefühlsmäßig auch gar nicht gut geht - was ich bewusst nicht spüre. Es hat sich eine Art Automatismus in mir entwickelt: Ich mache, tue, funktioniere, denke - aber ich bin nicht bewusst ich. Alles, was sich mal unwohl denkt oder fühlt, wird gleich weggeschoben. Das kann klappen, aber nicht auf Dauer. Und wenn der Knoten mal platzt, dann kommt eine Attacke. Ich weiß dann, dass ich in mich hineinhorchen muss und mal genau schaue, was denn so los ist, wie ich mich fühle, was mir nicht gut tut, was ich ändern müsste, wie ich mir Gutes tun kann usw.
Eigentlich ist das gar nicht so verkehrt? Eine Art Warnsignal der Seele: "Denk an dich".

Ist heute so etwas im Anflug, weiß ich, wie ich damit umgehe. Oder besser gesagt, wie ich das verhindere. Und zwar mit dem gezielten Ablenken. Das ist oft grenzwertig. Als stehe ich  kurz vorm Abgrund und verliere das Gleichgewicht, finde den rettenden Stein zum Festhalten aber noch. Ich merke, wie schnell ich mich hingeben kann und brauche viel Kraft, um es nicht zu tun. Doch diese Momente sind selten geworden. Was nicht heißt, dass die Angst nicht präsent ist. Oft habe ich den Zwang, ganz tief Luft holen zu müssen, immer und immer wieder. Oder aber ich kann nicht schlucken - weil der Zwang da ist, es zu oft tun zu wollen. Irre seltsam - und unangenehm. Meist überkommt es mich, wenn ich zur Ruhe komme. Und häufig ist  das der Fall, wenn ich abends im Bett liege. Einschlafen fällt dann schwer. Aber irgendwie klappt es immer. Und jedes Mal versuche ich herausfinden, warum die Angst "Hallo" sagt. Die Antwort darauf finde ich etwa in 1 % aller Vorfälle. Daran muss ich also noch arbeiten. Ich will daran arbeiten. Ich möchte einfach ich sein können, wissen, was mir gut tut, was mich bewegt, ... ganz bewusst Gedanken und Gefühle empfinden können. Ohne diesen fortlaufenden Automatismus des Verdrängens. Und ja, dazu gehören eben auch unangenehme Gefühle.

Stolz bin ich darauf, dass ich nie Medikamte genommen hab. Nur hin und wieder mal Globuli oder Schüssler Salze, was ja keine Medikamte in dem Sinne darstellt. Und ich bin stolz auf meine Fortschritte. Ich kann die Symptomatik der Angst in Etwa einordnen, fahre nicht immer und gleich zum Arzt. Und ich habe die Lebensfreude wieder. Das, was noch immer da ist, ja damit könnte ich leben. Aber ich sehe es weiterhin als Signal meiner Seele und arbeite daran. Bis meine Gedanken- und Gefühlswelt wieder im Lot meiner Selbst ist.

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