Dienstag, 24. September 2013

Fremdkörper

Zwei Tage nach meiner "Ansage" klingelt das Telefon. 'Mutti' steht auf'm Display. Aha.

"Naaa..."
"Hallo. Bist du Zuhause? Oder ist es gerade schlecht?"
"Nee, ich bin da...!?"
"Ich bin in der Stadt und würde dann jetzt mal vorbeikommen?!"

Oha.
Staatsbesuch.

Fix Checkliste abarbeiten:
- Geschirr weggeräumt?
- Wohnzimmer aufgeräumt?
- Haare ausm Waschbecken gefischt?
- Katzengeruch?
- Staub gewischt?
- Roter Teppich ausgerollt?

Empfangsbereit.

Ich sehe sie kommen und öffne die Tür. Sie war gut gelaunt und unecht nett.
Meinerseits war pure Distanz spürbar. Ich fühlte mich überhaupt nicht wohl, sie bei mir zu haben. Ich wusste nicht einmal, wie ich mit ihr umgehen soll. Ein fremdkörperartiges Gefühl. Es war direkt spürbar, dass sie nicht zu mir gehört. Oder ich nicht zu ihr. Aber dieses Mal fühlte ich das. Und trotzdem es ungewohnt war, war es nicht unangenehm.
Aber auch hier kam es nicht zu einer möglichen Reaktion ihrerseits auf unser Gespräch. Weiterhin wird es totgeschwiegen. Wir smalltalkten also notgedrungen etwa 30 Minuten. Zum Glück war mein Töchterchen da, die stets für Auflockerungen sorgte.
Dieses Mal wurde auch nicht die Nase gerümpft, nichts vermessen, nichts kritisiert. Logo, der Mann war ja auch nich' mit am Start.

Wir verabschiedeten uns. Sie merkte doch irgendwie, dass mir ihre Anwesenheit nicht so gefallen hat. Das widerrum tat mir schon fast leid.
Zum Abschied gab sie ihrem Enkelkind einen Kuss.
Dieses verabschiedete sich auf ihre Art:  liebevoll mit einem 'Rülpser'.




Montag, 16. September 2013

Heute

Ich traf auf eine äußerst gut gelaunte Mutter in den Räumen der Bank.
Mein Verhalten war relativ neutral. Freundlich, aber nicht überheblich.
Der Banktermin war recht schnell vorbei.

"Mutti, hast du jetzt noch ein bisschen Zeit?"
"Klar. Aber ich dachte Oma kocht uns zum Mittag noch unser Lieblingssüppchen? Kommt, wir kaufen alles ein."

Oh nein. Warum heute. Nie macht sie sowas. Nie interessiert sie sich für ihre eigene Mutter. Nie. Aber heute. Wo ich doch so viel vorhatte.

Ich war irritiert.
Wir kauften gemeinsam ein. Danach fuhr ich erstmal mit meiner Mutter alleine zu ihr nach Hause. Mir war mulmig. Und sie einfach gut drauf. Nett. Freundlich. Leicht mütterlich. So, wie sie sein kann, wenn der Stiefvater nicht in der Nähe ist.
Ich grübelte. Wie ich wohl am Besten anfange. Es dauerte ca. 60 Minuten Smalltalk, bis ich soweit war. Und ich sagte alles, auf geheimes Anraten meiner Oma beim Einkauf, sachlich und ruhig - was mich tatsächlich Kraft kostete. Ich wäre viel lieber emotional, dann aber auch sicher bösartig, gewesen.

Ich habe sämtliche Fakten genannt. Meine Gefühle. Meine Empfindungen.
Geknüpft an die Ereignisse vom Samstag, ausgeweitet auf allgemeine Störfaktoren. Alles.
Sie saß mir lediglich gegenüber. Und schwieg. Keine Erwiderung, keinerlei Resonanz, keine Antwort.
Nur im Nachgang hin und wieder eine Erklärungsversuch zur Inschutznahme ihrer Männer.
Und so schwiegen wir es dann beide tot. Ich hatte alles gesagt.

Das Süppchen bei Oma war lecker und die Atmosphäre tatsächlich auch gut. Wie lange war das her, dass wir 3 gemeinsam am Tisch saßen. Irgendwie war es schön.

Und doch fühlte ich mich unzufrieden. Unzufrieden mit dem Schweigen meiner Mutter.



Sonntag, 15. September 2013

Morgen!

Heute mal reality. So richtig mitten aus dem Leben. 

Aus heiterem Himmel rief mich meine Mutter Mitte der Woche an, sie möchte mein Tochterkind zu sich holen. Für eine Nacht.

Gestern brachte sowohl meine Mutter, als auch der Rest der Schar (=Stiefvater und Bruder) mein Kind zurück. Als sie den Garten betraten, sah ich die männlichen Blicken entlang gleiten. Sie haben die Rasenhöhe vermessen, die etwa 3 cm über dem Durchschnitt lag. Die Blicke schweiften zu verwelkten Blumen, herumliegendem Spielzeug und einem nicht geleerten Aschenbecher. Es folgte ein Tuscheln unter Männern, rollende Augen, ein ermahnender Blick meiner Mutter und eine unfreundliche Begrüßung ihrerseits.

Sie betreten die Wohnung.
"Hier stinkt's nach Katze".
Aha - is' mir neu. Aber ich habe natürlich nicht solch einen luxuriös-ausgeprägten Geruchssinn wie die feinen Herrschaften.
Sie saßen sich auf die Couch
"Unbequem", sagte mein Stiefvater mit ironisch-verächtender Stimme. Er verweilte dort in sichtlich angespannter und selbst erschaffener unbequemer Haltung. Um sein Unbehagen deutlich zu machen.
"Kaffee?", fragte ich zögerlich.
"Äh...hmm. Nee, lass' mal lieber."
Klar, wahrscheinlich würde der Kaffee sogar nach Katze schmecken.
"Tja", begann meine Mutter, "dein Kind hat ja gejammert abends. Sie wolle uuuunbedingt nach Hause. Und dann ihr Essverhalten... Unmöglich. Da stützt sie den Kopf beim Essen ab. Das macht ihr Zuhause so, erzählte sie."
"Ja Mutti, wir essen nur in dieser Haltung."
"Na ja, und dann rülpst sie doch tatsächlich in einer Tour! Sie sagte, das machst du auch immer beim Essen. Sie darf das."
"Genau, ich esse nämlich nie, ich rülpse nur. Vorverdauung."
"Deine schnippischen Antworten immer."
"Deine blöde und überflüssige Kritik. Hast du mir in dem Alter alles geglaubt?"
"Darum geht es nicht. Aber du musst dem Kind doch was Vernünftiges beibringen. Bei U.N.S. macht man sowas nicht. Machen die das im Kindergarten auch so?"
"Soll ich darauf antworten?"
Mein Bruder klinkt sich ein.
"Und dann provoziert sie total! Eeh, wie die mich immer anguckt. Das macht aggressiv!" Genauso sagte er das auch. Und ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen.
"Das ist ein Kind, sie testet aus. Lass' dich doch nich' ärgern! Und spring' nicht darauf an."
"Was willst du denn? Komm' ma wieder runter maaaan!"
Es folgte ein bitterböser Blick seinerseits. Ich war sichtlich geschockt von seinem Verhalten mir gegenüber. Mein Stiefvater saß daneben und lachte. Er bestärkte meinen Bruder in seinem Umgang mit mir.
"Na, dann wir wollen jetzt los." Mein Stiefvater brach' auf.
"Mutti, dann sehen wir uns Montag ja."
"Ach ja? Wieso?"
"Na wegen der Vollmacht bei der Bank? Das weißt du doch!"
"Aaach, ich will das eigentlich gar nicht. Mach du das mal."
"Keine Angst Mutti, ich nehm' dir schon kein dir zustehendes Geld weg."

Info: Meine Oma fühlt sich sicherer, wenn sie Kontovollmachten vergibt. Diese soll zwar primär mir zustehen, da aber meine Mutter im gleichen Ort lebt und somit evtl. im Notfall schneller erreichbar ist, soll auch sie (sie = völlig geldgeil, würde für Geld die eigene Familie verraten und verkaufen) eine Vollmacht erhalten. Kann ich nachvollziehen. Allerdings passt es ihr gar nicht, dass auch ich bevollmächtigt bin. Das äußerte sie meiner Oma gegenüber und das weiß ich auch so. Ich könnte ihr ja dann schließlich irgendwann Geld entziehen.

"Also bitte, darum geht's mir gar nicht...."

Wir stehen im Garten.
Mit Blick auf das Kinderfahrrad fragte mein Stiefvater "Und, fährt dein Kind schon?"
"Wir üben."
"Und wo sind die Stützräder?"
"Sie bekommt keine, wegen des Laufrades ..."
Ich werde mit erhabenem Gelache unterbrochen. "Jaa, genau. Mach's gut, Flüsterkind."

Zurück bleibe ich.
Von den anderen unverabschiedet.
Mit einer dicken fetten Wut im Bauch, die sich zu gern in Tränen äußern möchte.
'Wegen denen heul' ich nich!'
Und ich heulte auch nicht.
Und doch war es die Spitze des Eisberges.
Eine von vielen Konfrontationen, die mich stets als doofen Loser dastehen lassen. Bei denen ich immer wieder von oben herab beäugt und kritisiert werde. Immer wieder abfällige Bemerkungen. Immer wieder die unverblümte Verdeutlichung, dass ich schlecht bin. Und ja nicht nur ich, mein Kind auch.

Morgen.
Morgen sag ich's ihr. Nach dem Termin bei der Bank.
Entweder legt sie ein vernünftiges, tolerantes und vor allem respektvolles Verhalten mit familiärem Grundcharakter an den Tag oder ich meide den Kontakt. Sie kann sich entscheiden.
Ich weiß, dass ich schwer so ganz ohne Mutter kann, aber ich bin bereits auf einem solch' guten Weg, dass es mich stets weniger tangiert. Allerdings verletzen mich derartige Verhaltensweisen zutiefst. Und ich muss mir das nicht bieten lassen.
Eine Entscheidung wird fallen (müssen).

In jedem Fall bekommt meine Frau Mutter morgen die volle Breitseite an Empfindungen, Erinnerungen und Argumentation. Und auch die Garantie, dass sie meine Tochter nicht nochmal zu sich nehmen wird.

(Randinfo: Nein, bei mir Zuhause sieht es nicht chaotisch aus - es ist nur nicht alles perfekt. Nein, mein Kind sitzt nicht nur in gelangweilter Pose beim Essen - sie hat eine normale Haltung. Und auch: nein, mein Kind rülpst nicht ständig. Ich kann mich nicht mal erinnern, wann sie das zuletzt tat.)



Mittwoch, 11. September 2013

erZIEHung II

Das Wesen meines Kindes

Meine Tochter prägt ein außerordentlich freundliches Gemüt. Wenn sie strahlt, erhellt sie den ganzen Raum. Sie hat eine fantastische und anziehende Ausstrahlung. Ganz unbeschwert. Lebensfroh. Glücklich. Ich kann ganz viel von ihr lernen.

Sie ist absolut aktiv und quirlig. Nicht zu bändigen ist dieser Taten- und Bewegungsdrang. Ich komme da oftmals nicht mit. Motorisch ist sie auf der Überholspur. Klettern, rutschen, schaukeln, Ball spielen, Laufrad fahren, Fange spielen oder einfach um die Wette rennen. Das könnte sie ununterbrochen tun. Und das kann sie ausgesprochen gut. Auch Tanzen steht ganz oben auf der 'Mag-ich-Liste'.

Wissbegier ist ihr in hohem Maße zuzuschreiben. Sie hinterfragt alles bis ins kleinste Detail. Und zwar so lange, bis sie es auch wirklich verstanden hat. Das kann zur schnellen Befragung von Dr. Google meinerseits führen. Sie spricht gern einige Wörter auf Englisch, kann bis 20 zählen und lernt aktuell das Alphabet. Ich drücke ihr das nicht auf, das macht sie anhand von Büchern ganz allein - bezieht mich zum Lernen aber natürlich mit ein. Sie malt nicht gern und wenn, dann nur "Krickelkrackel". Auf Vorschläge, Strichmännchen, Häuser und weitere Formen zu malen, geht sie nicht ein. Außerdem verliert sie dabei schnell die Lust.

Es fällt ihr schwer, sich allein zu beschäftigen. Sie braucht meist mich zur aktiven Tages- und leider auch hin und wieder zur Nachtgestaltung. Alles will sie mir zeigen, alles will sie mit mir machen. Ich habe morgens kaum die Augen auf, da wird schon das erste Memory-Spiel gezückt und ich knallhart abgezogen. Das ist ohnehin ihre Lieblingsbeschäftigung: interaktive Gesellschaftsspiele. Gern auch Mau-Mau, wobei ich nur mit Glück gewinne (und ich schummel nicht für das Erfolgserlebnis meines Kindes).

Sie ist sehr ängstlich. Bei jedem untypischen Geräusch, bei Dunkelheit, bei Spinnen und anderem Kleinvieh sowie in neuen Umgebungen klammert sie. Beim Osteopathen wurde im Alter von 9 Monaten ein persistierender Moro-Reflex festgestellt. Ob man das für voll nehmen mag, bleibt dahin gestellt. Typische Anzeichen sind jedoch vorhanden. Besonders interessant dabei ist, dass wir so einen "Fall" bereits in der Familie haben und die Parallelen schon fast erstaunlich sind. Ein Tollpatsch ist sie übrigens auch. Da kann es schon mal vorkommen, dass sie vor lauter Tagträumerei gegen Wände läuft.

Sie ist sehr personenbezogen. Bei Menschen, die sie nicht so oft sieht, ist sie sehr zurückhaltend (finde ich übrigens ganz wunderbar!). Sie ist kein Draufgänger, sie beobachtet zunächst gern. Wenn es für sie okay ist, taut sie auch auf. Viele Tantchens können das natürlich nicht abwarten und drängen gern auf das "Na komm, sag mir mal 'Hallo'" oder auf "Na los, mach das mal.". Davon bin ich Gegner. Ich dränge nicht. Das Kind bestimmt das Tempo.

Wie ein pubertierender Teenie kann sie zicken. Sofern ihr was nicht passt, läuft sie laut stampfend und heulend in ihr Zimmer. Ja, na klar: Mit Türenknallen. Dann liegt sie bäuchlings auf ihrem Bett und schluchzt. Ich geh' etwas später zu ihr. Zum Trösten und zum Hinterfragen - wenn sie denn mag. Sie darf auch einfach so unkommentiert bocken und wütend sein.

Ich bin so gespannt, wie sie sich weiter entwickeln wird - und so dankbar, dass ich das begleiten und dem Formen geben darf.



Dienstag, 10. September 2013

Das Zuhausegefühl

Ankommen.
Wohlfühlen.
Nicht weg wollen.
Nichts verändern wollen.
Mit Haut und Haar Zuhause sein.


Seid ihr Zuhause? Seid ihr da, wo ihr sein wollt?
Lebt ihr in der Stadt?
Auf dem Land?
Im Randgebiet?
Im Eigenheim oder in der Wohnung? Im Loft?
Im Mehrgenerationsstil?

Seid ihr glücklich, so wie ihr wohnt und lebt?

Ich fühle mich noch nicht angekommen.Dabei liebe ich meine Wohnung. Es ist der erste Ort, an dem ich mich schon ein Stück weit Zuhause fühle - dennoch ist es nicht vollkommen.
Da ist so eine innere Sehnsucht in mir.

Sehnsucht nach Eigenheim, auf dem Land.
- Dabei bin ich ein Schisser und würde mich nie im Dunkeln in einem abgelegenen Eigenheim draußen allein aufhalten.

Mit etwas Landwirtschaft.
- Ich fasse vieles an, aber niemals Spinnen und Krabbelviecher - was im Übrigen der Grund ist, warum ich bei Gartenarbeit besonders achtsam und ebenso schreckhaft bin.

Mit einem Hauch vom Selbstversorgerdasein.
- Außerdem koch' ich ungern. Mit Vorratshaltung kenne ich mich wenig bis gar nicht aus. Auch bin ich ein morgenmuffliger Langschläfer, der früh morgens nur mit argem Widerwillen Tiere versorgen würde.

Mit der Freiheit aller Gestaltungsmöglichkeiten, ohne vorab Mietverträge zu wälzen oder auf Nachbarn zu achten.
-  Immerhin pack ich gern an. Ich bin gern der selfmade-Werkler.

Mit aller Ruhe.
- Allerdings geh' ich zu gern mal spontan bummeln und bin gern schnell mobil.

Widersprüche in sich.
Kopf: Bleib' in der Stadt.
Herz: Geh' zurück auf's Land.

Vielleicht finde ich einen Kompromiss. Irgendwann. Wenn mein Geldbeutel bereit ist und meine Zukunft sich gefunden hat.
Aber diese Sehnsucht nach dem Ankommen verstärkt sich.




Montag, 9. September 2013

Sand im Gepäck

Da war ich weg.
Raus aus dem Land des Wahlkampfes. Aus dem Land der ewigen Baustellen und desolaten Straßen.
Hinein ins platte Land.

Dänemark.
Meine alte Liebe.

Ich mag das Meer.
Die Dünen.
Die breiten Strände.
Ich mag die vernünftigen Straßenverhältnisse.
Ich mag die Weitläufigkeit.
Die Häuser.
Ich mag den Geschmack in Sachen Deko und Klamotte.
Ich mag das Lakritzeis.
Und alles andere aus Lakritz.
Ich mag die Sprache.
Ich mag die Hot Dogs.
Die Angelteiche.

Die Dänen sind die glücklichsten Menschen.
Das glaube auch ich.











Liebe Grüße