Sonntag, 15. September 2013

Morgen!

Heute mal reality. So richtig mitten aus dem Leben. 

Aus heiterem Himmel rief mich meine Mutter Mitte der Woche an, sie möchte mein Tochterkind zu sich holen. Für eine Nacht.

Gestern brachte sowohl meine Mutter, als auch der Rest der Schar (=Stiefvater und Bruder) mein Kind zurück. Als sie den Garten betraten, sah ich die männlichen Blicken entlang gleiten. Sie haben die Rasenhöhe vermessen, die etwa 3 cm über dem Durchschnitt lag. Die Blicke schweiften zu verwelkten Blumen, herumliegendem Spielzeug und einem nicht geleerten Aschenbecher. Es folgte ein Tuscheln unter Männern, rollende Augen, ein ermahnender Blick meiner Mutter und eine unfreundliche Begrüßung ihrerseits.

Sie betreten die Wohnung.
"Hier stinkt's nach Katze".
Aha - is' mir neu. Aber ich habe natürlich nicht solch einen luxuriös-ausgeprägten Geruchssinn wie die feinen Herrschaften.
Sie saßen sich auf die Couch
"Unbequem", sagte mein Stiefvater mit ironisch-verächtender Stimme. Er verweilte dort in sichtlich angespannter und selbst erschaffener unbequemer Haltung. Um sein Unbehagen deutlich zu machen.
"Kaffee?", fragte ich zögerlich.
"Äh...hmm. Nee, lass' mal lieber."
Klar, wahrscheinlich würde der Kaffee sogar nach Katze schmecken.
"Tja", begann meine Mutter, "dein Kind hat ja gejammert abends. Sie wolle uuuunbedingt nach Hause. Und dann ihr Essverhalten... Unmöglich. Da stützt sie den Kopf beim Essen ab. Das macht ihr Zuhause so, erzählte sie."
"Ja Mutti, wir essen nur in dieser Haltung."
"Na ja, und dann rülpst sie doch tatsächlich in einer Tour! Sie sagte, das machst du auch immer beim Essen. Sie darf das."
"Genau, ich esse nämlich nie, ich rülpse nur. Vorverdauung."
"Deine schnippischen Antworten immer."
"Deine blöde und überflüssige Kritik. Hast du mir in dem Alter alles geglaubt?"
"Darum geht es nicht. Aber du musst dem Kind doch was Vernünftiges beibringen. Bei U.N.S. macht man sowas nicht. Machen die das im Kindergarten auch so?"
"Soll ich darauf antworten?"
Mein Bruder klinkt sich ein.
"Und dann provoziert sie total! Eeh, wie die mich immer anguckt. Das macht aggressiv!" Genauso sagte er das auch. Und ich konnte mir das Schmunzeln nicht verkneifen.
"Das ist ein Kind, sie testet aus. Lass' dich doch nich' ärgern! Und spring' nicht darauf an."
"Was willst du denn? Komm' ma wieder runter maaaan!"
Es folgte ein bitterböser Blick seinerseits. Ich war sichtlich geschockt von seinem Verhalten mir gegenüber. Mein Stiefvater saß daneben und lachte. Er bestärkte meinen Bruder in seinem Umgang mit mir.
"Na, dann wir wollen jetzt los." Mein Stiefvater brach' auf.
"Mutti, dann sehen wir uns Montag ja."
"Ach ja? Wieso?"
"Na wegen der Vollmacht bei der Bank? Das weißt du doch!"
"Aaach, ich will das eigentlich gar nicht. Mach du das mal."
"Keine Angst Mutti, ich nehm' dir schon kein dir zustehendes Geld weg."

Info: Meine Oma fühlt sich sicherer, wenn sie Kontovollmachten vergibt. Diese soll zwar primär mir zustehen, da aber meine Mutter im gleichen Ort lebt und somit evtl. im Notfall schneller erreichbar ist, soll auch sie (sie = völlig geldgeil, würde für Geld die eigene Familie verraten und verkaufen) eine Vollmacht erhalten. Kann ich nachvollziehen. Allerdings passt es ihr gar nicht, dass auch ich bevollmächtigt bin. Das äußerte sie meiner Oma gegenüber und das weiß ich auch so. Ich könnte ihr ja dann schließlich irgendwann Geld entziehen.

"Also bitte, darum geht's mir gar nicht...."

Wir stehen im Garten.
Mit Blick auf das Kinderfahrrad fragte mein Stiefvater "Und, fährt dein Kind schon?"
"Wir üben."
"Und wo sind die Stützräder?"
"Sie bekommt keine, wegen des Laufrades ..."
Ich werde mit erhabenem Gelache unterbrochen. "Jaa, genau. Mach's gut, Flüsterkind."

Zurück bleibe ich.
Von den anderen unverabschiedet.
Mit einer dicken fetten Wut im Bauch, die sich zu gern in Tränen äußern möchte.
'Wegen denen heul' ich nich!'
Und ich heulte auch nicht.
Und doch war es die Spitze des Eisberges.
Eine von vielen Konfrontationen, die mich stets als doofen Loser dastehen lassen. Bei denen ich immer wieder von oben herab beäugt und kritisiert werde. Immer wieder abfällige Bemerkungen. Immer wieder die unverblümte Verdeutlichung, dass ich schlecht bin. Und ja nicht nur ich, mein Kind auch.

Morgen.
Morgen sag ich's ihr. Nach dem Termin bei der Bank.
Entweder legt sie ein vernünftiges, tolerantes und vor allem respektvolles Verhalten mit familiärem Grundcharakter an den Tag oder ich meide den Kontakt. Sie kann sich entscheiden.
Ich weiß, dass ich schwer so ganz ohne Mutter kann, aber ich bin bereits auf einem solch' guten Weg, dass es mich stets weniger tangiert. Allerdings verletzen mich derartige Verhaltensweisen zutiefst. Und ich muss mir das nicht bieten lassen.
Eine Entscheidung wird fallen (müssen).

In jedem Fall bekommt meine Frau Mutter morgen die volle Breitseite an Empfindungen, Erinnerungen und Argumentation. Und auch die Garantie, dass sie meine Tochter nicht nochmal zu sich nehmen wird.

(Randinfo: Nein, bei mir Zuhause sieht es nicht chaotisch aus - es ist nur nicht alles perfekt. Nein, mein Kind sitzt nicht nur in gelangweilter Pose beim Essen - sie hat eine normale Haltung. Und auch: nein, mein Kind rülpst nicht ständig. Ich kann mich nicht mal erinnern, wann sie das zuletzt tat.)



6 Kommentare:

  1. Leider kann man sich die Familie nicht aussuchen.
    Ich hoffe, dass das Gespräch heute, wenn es denn statt gefunden hat, gefruchtet hat. Dass du zu deiner Familie gefühlstechnisch schon einigen Abstand "gewonnen" hast, ist gut. Ich glaube, dass genau das am meisten Zeit braucht, wenn man erstmal realisiert hat, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich nichts ändert leider sehr groß ist. Lass dich nicht ärgern. Ich hatte dir schonmal geschrieben, dass ich dich für eine tolle Mama halte. Chaos darf sein- ist bei mir nicht anders ;-) und den Frust deiner Familie musst du nicht ausbaden. Bleib wie du bist und ändere dich nicht :-)Ich danke dir wieder einmal für deinen tollen, offenen und ehrlichen Blog. Viele, liebe Grüße. Kathrin

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  2. Liebe Kathrin,
    ich danke dir für deine lieben Zeilen.
    Genau das ist die Problematik: der gefühlsmäßige Abstand. Ich weiß, dass sich nichts grundlegend ändern wird. Somit könnte ich damit von vorneherein abschließen. Da sind aber eben diese, zumindest noch leicht vorhandenen, Zugehörigkeitsgefühle. Und oft auch der leise Schmerz, wenn man im Freundeskreis den Umgang zwischen Eltern und (erwachsenen) Kindern mitbekommt. Dieses Loslösen dauert eine ganze Weile. Ich bringe damit nun mehr als 10 Jahre zu. Und auch wenn es eine halbe Ewigkeit ist, so wird es peu à peu besser.
    Meine Eltern sind totale Perfektionisten. Man findet weder ein Haar auf dem Boden noch ein Fitzchelchen Unkraut im Garten vor,außerdem sehen sie selbst stets frisch gestriegelt aus obwohl sie mehr als je 40 Stunden arbeiten. Dafür haben sie keine Hobbies, keine Freunde, keine Kinder. Aber sie projezieren ihren eigenen Anspruch auf mich, das führt dann zu verächtendem Verhalten, sofern sie sich mal bei mir aufhalten. Na ja. Ich stehe zu meinem bisschen Chaos. Und ich bin nicht Sklave meiner Wohnung/meines Gartens.
    Das Gespräch heute fand tatsächlich statt. Vielleicht schreibe ich darüber heute noch.
    Ich freue mich sehr, dass dir mein Blog gefällt.
    Danke für die aufbauenden Worte.
    Sei lieb gegrüßt!

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    1. Liebes Flüsterkind,
      tut mir leid, dass ich erst jetzt antworte, aber hier geht es zur Zeit auch etwas drunter und drüber. Ich hätte mich wirklich sehr über einen anderen Ausgang des Gespräches gefreut. Dieses Schweigen kenne ich nur zu gut. Mich macht das immer so rasend. Ich finde, dass sich das immer so "ungeklärt" anfühlt. Ich weiss, dass es sehr lange dauert, gefühlsmäßig Abstand zu gewinnen. Bei meinem "Erzeuger" ist mir das nach nach knapp 29 Jahren gelungen. Mit meiner Mutter steht mir das wohl leider auch bevor. Es ist schon komisch, dass man trotz aller unschöner Ereignisse innerhalb der Familie immernoch so sehr liebt. Was ich an dir aber richtig toll finde ist, dass du eben einen anderen Weg gewählt hast. Dazu gehört extrem viel Kraft. Das Gegenteil zu tun, wäre einfacher, aber macht letztendlich nicht glücklich. Du bist ein echt starker Mensch, vergiss das nie und sei megastolz darauf :-)
      Ich denke, dass bei deinen Eltern Frust und Unzufriedenheit eine große Rolle spielen. Trotz extremer Reinlichkeit, zig Hobbys, 40-Stunden-Woche etc. scheinen sie nicht glücklich zu sein. Es ist nur so schade, dass sie das an dir auszulassen scheinen. Wahrscheinlich haben sie es selbst aber so vorgelebt bekommen und den einfachen Weg gewählt, es nun genauso "falsch" zu machen. Zumindest hätte sich so die Fragen nach dem "Warum?" schonmal erübrigt. Das entschuldigt natürlich nichts, aber am "Warumß" kann man echt verzweifeln. Viel schöner wäre es doch, wenn sie erkennen würden, dass der Weg, den du gewählt hast, der richtige ist und dass dieser auf Dauer einfach auch glücklich macht, so anstrengend und schmerzhaft es bis dahin auch ist. Ich tippe aber darauf, dass sie es nichtmal merken. Na ja, du wirst wahrscheinlich auch wissen, dass man da leider gegen Wände spricht und die einzig richtige Lösung der Abstand ist um nicht selbst unter zu gehen. Ich wünsche dir auf jeden Fall ganz viel Kraft, immer Sonne im Herzen und dir und deinen Lieben ein tolles Wochenende. Ich danke dir, dass du mir aus der Seele sprichst <3

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  3. Hallo,
    also, ich krieg schon beim lesen Wut! Ich glaub, ich wäre bei solchen Kommentaren in MEINEM Haus in die Luft gegangen und hätte alle rausgeschmissen. Wem es hier nicht passt und wer sich so dämlich äußert, der darf gerne gehen und mich in Ruhe lassen!
    Auch wenn andere Perfektionsiten sind (was auch immer sie davon haben, dass man vom Boden essen kann, ist wohl eine andere Frage), müssen sie andere (und GERADE das eigene Kind!) trotzdem so stehen lassen, wie sie sind! Hobbys zu haben ist ein sehr berechtigter Anspruch, finde ich! Außerdem muss bei allem Protektionismus ausreichend Raum für Respekt bleiben!
    Grrr, so, jetzt muss ich erst mal wieder runter kommen!
    Liebe Grüße! Sonja

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    1. Liebe Sonja, danke für deine offenen Worte.
      Ich hätte sie auch gern einfach rausgeschmissen. Aber ich kenn die Konsequenzen und letztlich drehen sie mir dann daraus wieder irgendeinen Strick. Daher habe ich gelernt, die Klappe zu halten und mir gewissermaßen meinen Teil zu denken. Wobei ich schon mutig war und bei der halben Verabschiedung meines Stiefvaters grummelte "Haut doch endlich ab." Das hat aber niemand mitbekommen, so wie ich gestern erfuhr.
      Sie haben mich noch nie so akzeptiert, wie ich bin. Auszusetzen hatten und haben sie immer was. Aber kritisieren macht ihnen einfach Spaß.
      Wie unzufrieden muss man sein, um bei anderen ein Ventil für den eigenen Frust zu suchen...
      Liebe Grüße!

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  4. Ich finde mich so sehr in deinen Worten wieder... du beschreibst Situationen, die ich nur zu gut kenne & das einzige was bleibt, ist das Gefühl versagt zu haben...

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Ich freue mich über jedes Wort.