Samstag, 17. November 2012

Möglichkeitsproblem

Wenn der Wecker klingelt, weiß ich bereits, was mich erwartet: eine Aufhübschaktion deluxe, auf die ich - als bekennend angehauchter Morgenmuffel - ja so gar keine Lust habe.

So brauche ich minimum (!) 45 Minuten, um Anderen mit Sehfähigkeit keinen Schaden zuzufügen.

Großer Schwerpunkt dabei:  Klamottenauswahl.

Das ist ein schwerwiegendes Thema. Sehr schwer. Unlösbar quasi.
Als organisatorisch perfektes Flüsterkind überlege ich bereits am Abend, welche Hülle ich meinem Körper am kommenden Tag gebe. In der Regel artet das in 2 - 3 Outfits aus, wobei ich dann am nächsten Morgen letztlich doch was völlig anderes anziehe.

Warum?

Möglichkeit 1: Es ist viel kälter/wärmer, als angenommen. (Doofe Wetter-App!)
Möglichkeit 2: Ich habe keine passenden Schuhe dazu.
Möglichkeit 3: Ich habe keine passende Jacke.
Möglichkeit 4: Ich habe zwar passende Schuhe, aber in Kombi mit der Jacke dann doch völlig unpassend.
Möglichkeit 5: Wie Möglichkeit 4, nur umgekehrt.
Möglichkeit 6: Ich fühle mich heute anders als gestern, brauche was Lockereres/was Feminineres.
Möglichkeit 7: Mir ist doch gar nicht so nach farbenfroh. Wie immer Heut mag ich nicht auffallen.
Möglichkeit 8: Der Ausschnitt könnte zu tief sein, ich will nicht einblickeinladend wirken.
Möglichkeit 9: Der Rock/das Kleid ist evtl. doch zu kurz. Ein auf dem Boden liegender Mann könnte mir evtl. doch durch meine 100den schwarze Strumpfhose sehen.
Möglichkeit 10: Ich habe heut Wahrnehmungsstörungen Blähbauch. Das enge Top/Kleid/der enge Pulli trägt auf bzw. die enge Jeans quetscht.
Möglichkeit 11: Ich habe keinen passenden Schal/kein passendes Tuch zu meinem Outfit. (Es is' gar kein Herbst/Winter?)
Möglichkeit 12: Die Farbkombi ist doch zu gewagt/die Muster passen nicht zueinander. (Welche Farben, welche Muster - bei nur graubraunschwarzweißblauunifarben?)
Möglichkeit 13: Geistesblitz. Ich habe doch noch irgendwo diese eine Klamotte. Die will ich jetzt.

Und, wer findet sich wieder?
Ist ja teils doch typisch Frau samt Phänomen "Ich hab' 'nen ganzen Schrank voll mit 'nichts anzuziehen'".

Auch wenn ich die Liste noch um einige Punkte ergänzen könnte, so ist die Intention klar: unsicher, wenig Selbstbewusstsein und -vertrauen. Oder besser:  Ich möchte partout nicht auffallen - was mit knallblauer Jacke, roter Bluse, Hackenschuhen, tatsächlich farbenfrohen Kombis etc. ja der Fall wäre. Warum? Weil ich a) ungern im Mittelpunkt stehe/auffalle und b) meine Fassade bröckeln könnte und mich jemand als doch gar nicht so perfekt entlarvt. Und das geschieht ja eher, wenn man im Fokus steht. Tzz... als wenn ich durch Kleidung so sehr fokussiert werde... Da sind 'se wieder, die wirren Gedankengespenster.

Viel schlimmer ist aber doch, dass ich mich bzw. meinen Geschmack selbst zurückschraube, weil ja, evtl. ... es könnte ja sein, dass ... vielleicht,... hätte ich... usw. Ihr wisst. Gedankenspirale und so.

Und da ich dieses Problem schon mehrere Jahre verfolge, habe ich mich angepasst. Einfach so. Ich kaufte Schlichteres, gedecktere Farben. Alles, was irgendwie zusammenpassen könnte, und was nicht auffällt. Ein Blick in meinen Kleiderschrank bestätigt dies leider. Und bitte wie soll man da gute Laune haben, wenn man in einen solchen Kleiderschrank und dementsprechend auf sich selbst schaut? Hää?

Dieser Teilausschnitt sieht eigentlich gar nicht so übel depressiv aus!?

Und wie ist das denn nun mit dem  Klamottengeschmack? Muss man einen Stil haben? Einen ganz Bestimmten?
Bluse, Blazer, Rock, Kleid, elegante Hose/Jeans und Stöckelschühchen?
Schlichtes Shirt, schlichte Jeans, irgendwelche Allerweltsschuhe?
Weite Shirts, lässige Jeans/Chinos, Boots oder Chucks/Sneaker?
Wild geblümt oder gemustert im alternativen Look?

Tja. Keine Ahnung.
Am Besten: Heute so, morgen so. Oder auch gern alles kombiniert?
Ich verfolge nicht wirklich einen Stil. Manchmal würde ich das gern, weil es das Problem etwas minimiert. Aber warum nur einem Stil folgen, wenn es so viele gibt? Warum festlegen? Nöö.

Und nun kommen die Hobbypsychologen unter uns:
Habt ihr schon mal auf die Kleidung und entsprechende Persönlichkeit geachtet? Bei Freunden, Familie, Kollegen etc.? Ist eigentlich recht interessant, denn größtenteils passt es: die Farbbomben unter uns haben meist ein sonniges, unbeschwertes Gemüt mit angenehmen Selbstbewusstsein. Und die Schüchternen, die Ruhigen, die ... ja die tragen meist insgesamt unauffälligere Kleidung. Passt und stimmt natürlich nicht immer, aber es macht schon Spaß, das zu beobachten.

... nun müsste ich nur noch mein "Möglichkeits-Problem" lösen. Wie? -> "Ene mene Muh, raus bist du ..."

3 Kommentare:

  1. Das kenne ich ja soo gut...
    Ich würde von mir behaupten, dass ich keinerlei Stil habe. Wie du hab ich jahrelang aus Schüchternheit nur schüchterne Kleidung gekauft - unauffällig bleiben, vielleicht sieht die utige Kombi nur für dich so toll aus und dann lachen wieder alle - und ich bewundere alle, die das so automatisch können: Shirt zum Schal zu Hose zu den Socken passend kombinieren.
    Ich habe auch immer den Eindruck, dass die ganz Stilbewussten in meiner Umgebung auch die ganz selbstbewussten sind - aber vielleicht bilde ich mir das auch nur ein und unterstelle Mut einfach nur, weil die Dinge tun, die ich nicht hinkriege.
    Ich glaube, ich schenke mir zu Weihnachten eine Farb- und Typberatung.
    Allerliebste Grüße von Kiki

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  2. einige dieser probleme kommen mir doch zuuuu bekannt vor!!!

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  3. Vielen Dank für deinen lieben Kommentar! Es ist schon beruhigend, dass ich nicht die Einzige bin, die sich so doof fühlt mit dem Lernkram.
    Ich schreibe grade Magisterarbeit, es ist also schon was Ernstes, aber ich weiß, dass ich auch da Prioritäten setzen muss - mit dem kompletten Themengebiet komm ich nie und nimmer zurande. Aber dein Lernplan klingt sehr durchdacht, ich werde mir die Idee vielleicht klauen, wenn ich mich dann mit den Prüfungen auseinander setzen muss.

    Ich glaube, ich brauche Zeitdruck, um zu funktionieren... ich hoffe zumindest, dass es so ist.
    Mein Therapeut hat mir zu der Typberatungsgeschichte geraten, weil: "Sie müssen lernen zu erkennen, wer Sie sind." Ich weiß nicht, ob das in dem Punkt hilfreich ist, aber hey, wenn es dazu führt, dass ich weiß, was mir steht... why not.
    In meiner Familie schenken wir uns nichts, also hab ich Geld für mich zur Verfügung. Lass uns das machen, und dann sind wir top gekleidet. Wie Ladies :D
    Liebste Grüße
    Kiki

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Ich freue mich über jedes Wort.