Donnerstag, 3. Juli 2014

Gib' mir einen Vater.

Mir hat in Kindestagen viel gefehlt. Vor allem die Liebe der Eltern. Die der Mutter hatte ich hin und wieder: immer dann, wenn der "Vater" außer Reichweite war. Aber die des Vaters - die hatte ich nie. Weder Respekt, noch Herzlichkeit noch Liebe. Ich weiß daher gar nicht, wie sich das so anfühlt. So 'ne Vaterliebe. Klar, sie ist in den seltensten Fällen so übertrieben, wie in Filmen. Aber ein bisschen was davon stimmt, oder? Dass man des Vaters (kleine) Prinzessin ist? Dass der Vater das Fahrradfahren lehrt? Oder das Schwimmen? Dass er ein bisschen Trost beim ersten Liebeskummer spendet? Oder einfach nur - liebend - da ist?
Ich hatte leider nie die Wahl. Ich konnte nie sagen "Is' der Stiefvater doof, dann hab ich ja noch meinen 'richtigen' Vater." Den hab ich. Aber nur rein biologisch. Ich habe ihn das erste Mal nach meinem unfreiwilligen Auszug - also mit 15 - gesehen. Ich war angetan. Habe auch zwingend nach elterlicher Zuneigung gesucht. Er versprach mir das Blaue vom Himmel. Erklärte sich. Die Situation. Warum er mir nie zum Geburtstag gratulierte. Und warum er nie Kontakt suchte. Aber das sei nun anders. Er käme mich regelmäßig besuchen. Pustekuchen. Ein Telefonat später herrschte seinerseits absolute Funkstille. Bis ich 18 war und selbst meinen Unterhalt einklagen konnte. Da entsinnte er sich wieder, wer ich bin. Kannte sogar meine Nummer - die er allerdings missbrauchte: Er bot mir in einem Telefonat an, dass ich sofort (!) zu ihm ziehe. Er würde mich bestmöglichst versorgen. Ich verneinte sichtlich überraschend. Am Ende war dies nie sein Wille, sondern nur blöde Masche, um sich Unterhaltsverpflichtungen zu entziehen - wie ohnehin seit 28 Jahren. So entlarvte sich spätestens zu diesem Zeitpunkt der Mann, in den ich noch Hoffnung als mögliche Familie steckte, als Wichser in Missbrauchsstellung. Wie immer war ich - und das war schon gut - Mittel zum Zweck.

Schicksal gibt es. Davon bin ich überzeugt. Denn meine Ausbildungsstelle lag direkt gegenüber seiner Wohnung. In drei Jahren sah ich ihn kein einziges Mal. Ich habe es auch nicht darauf angelegt. An einem meiner letzten Arbeitstage infolge der Ausbildung wagte ich den Gang zu ihm - zwecks des auszufüllenden BAföG-Antrages. In Unterhose und Hemd stand er vor mir an der Tür. Der Hintergrund glich einem verkommenen Haushalt. Er bat mich rein. Ich verbrachte ... ich weiß es nicht mehr. "Die ganzen Jahre warst du hier? Und du hast dich nicht einmal gemeldet? Du hast dich all' die Jahre nie um mich gekümmert?" So entsetzt ich auch war, so sehr tat er mir auch leid. Arbeitsloser Nichtskönner (sorry!), der allein in einer versifften Bude lebt und sich einen Scheiß' um seine drei (!) Kinder kümmert, stattdessen aber in umgekehrter Rolle das Bemühen des Kindes erwartet.
Ein, zwei, drei Tage später brachte er mir den Antrag ausgefüllt zurück. Zu meinem Arbeitsplatz. So schnell ich auch wollte, konnte ich mich nicht verstecken. Aber ich habe ihn schnell und dank Hilfe abwimmeln können. Er hat gespürt,dass ich ihn nicht da haben wollte.

Das war unsere letzte Begegnung.
Ich informierte ihn nach der Geburt meiner Tochter. Samt meiner neuen Kontaktdaten. Die Antwort auf eine damit verbundene wesentliche Frage schickte er mir auf einem Papierschnippsel, geschrieben mit Bleistift, zurück. Ohne Glückwünsche o. Ä. Aber mit der Mitteilung, dass er krank sei.

Heute habe ich unterschiedliche Ansichten von diesem Mann. Rein oberflächlich ist da eine ganze Menge Wut und Enttäuschung. Tiefgehend ringe ich hin und wieder mit mir, mal ein Bild meiner Tochter zu senden. Oder einfach mal zu fragen, wie es ihm geht. Und ob es ihn noch gibt. Aber es siegt das Nichtstun. Weitere Enttäuschungen muss ich mir nicht einfangen und so bin ich dahingehend doch sehr gern oberflächlich. Nur hin und wieder, an solch' Tagen wie heute, überkommt es mich. Gekoppelt mit Verletzungen durch meinen Stiefvater, dem ich zwar herzlich egal bin, aber den ich immerhin seit dem dritten Lebensjahr kenne, kann das manchmal schon weh tun.

Ich wünsche mir einen Vater. Aber Wünsche erfüllen sich nicht immer. Daher formuliere ich meinen Wunsch neu: Ich wünsche meiner Tochter einen tollen Vater. Ich wünsche ihr, dass sie ihren Vater stets für sich hat. Dass sie mit ihm Freud und Leid teilen kann. Und dass sie irgendwann in bestimmten Sachen lieber mit dem Papa spricht, als mit mir.



2 Kommentare:

  1. Danke!!! Mir geht es genauso!

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  2. Einen Vater zu haben der ebend auch ein Vater ist blieb auch mir verwehrt....wenn man selbst Kinder hat erlebt man seine eigene Kindheit noch einmal und man grübelt darüber nach warum es in unserer Kindheit so schwierig war, wir können es eigentlich nicht nachvollziehen, unverständlich einfach. Ich habe mit meinen Vater auch gebrochen, zu viele Dinge waren nicht ausgesprochen und man geht seiner Wege. Doch im Laufe der Zeit, man wird ja auch Älter, kommen die Passagen wo man einen kurzen oder auch langen Gedanken dran hat, "Wie es ihm wohl geht?". Wie Du schon sagtest, das Nichtstun. Ich hatte mein Vater in dem Fall 8 Jahre nicht mehr gesehen, ich muss zugeben, ein wenig eigene Sturheit gehört dazu. Dann starb mein Vater und plötzlich wurde mir klar das dies der falsche Weg ist zu warten ob vielleicht der andere einem entgegen kommt und das Gespräch sucht. Auch wenn wir vielleicht nicht wirklich Tochter und Vater waren, dennoch hätte ich gerne vor seinem Tod mit Ihm gesprochen, es ist nicht alles verzeihlich aber trotz allem wäre ich gerne mit Ihm ins Reine gekommen.(er starb an Krebs). Eine Möglichkeit die mir jetzt verwehrt ist und ich denke heute darüber anders. Mache nicht denselben Fehler. LIebe Grüße

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Ich freue mich über jedes Wort.